Ende 1980 versammelte sich eine Gruppe von Designern und Architekten im Wohnzimmer von Ettore Sottsass und legte den Grundstein für eine neue Art, sich Design vorzustellen, und rief eine wahre künstlerische Bewegung ins Leben. Mit dem Song "Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again" von Bob Dylan im Hintergrund wurde Memphis geboren - ein Name, der sich auf die antike Hauptstadt Ägyptens sowie auf den Geburtsort von Elvis Presley und Aretha Franklin bezieht. Die erste Kollektion von 55 Produkten wurde 1981 auf dem Salone del Mobile im Showroom Arc '74 in Mailand vorgestellt. Zahlreiche Menschen drängten sich vor der Galerie, um diese neue Designsprache mit ihren irrationalen Formen, verspielten Mustern und unkonventionellen Materialien wie Kunststofflaminaten zu entdecken.

Die erste Gruppe von Designern, bestehend aus Aldo Cibic, Matteo Thun, Marco Zanini, Martine Bedin, Michele De Lucchi, Nathalie Du Pasquier und George Sowden, wuchs unter der Leitung von Ettore Sottsass bald zu einem pulsierenden Nest von Talenten heran. Memphis erlangte schnell großen öffentlichen Erfolg und gewann die Herzen internationaler Künstler und Berühmtheiten. Die Kollektionen zeichnen sich durch einen besonderen Einfallsreichtum aus, der die Regeln des akademischen Designs bricht und seine Grenzen für Farben, Muster und bizarre Formen öffnet. Mit Memphis wurde die Exzentrik zu einem unverwechselbaren Stil, der Ausdruck des kulturellen Schmelztiegels der damaligen Zeit war.

Der Traum von Memphis ging 1987 zu Ende, aber die kreative Produktion blickte mit Meta Memphis und Post Design weiter in die Zukunft und blieb ihrem ursprünglichen, respektlosen Geist treu. Lesen Sie unser Interview mit dem Inhaber von Memphis, Alberto Bianchi Albrici, um mehr über eine Ikone des italienischen Designs zu erfahren.

Memphis entstand aus einem geselligen Anlass: einem Abend mit Freunden, die dieselben Leidenschaften und den Drang teilten, die Begriffe des Designs neu zu definieren. Inwieweit hat dieser Aspekt die Entwicklung der spielerischen und respektlosen Ästhetik beeinflusst und nicht nur eine Bewegung, sondern auch den echten "Memphis Spirit" definiert?

Geselligkeit war Teil von Ettore Sottsass' Lebensstil, aber es gibt keine besonderen Verbindungen zu Memphis und seiner ästhetischen Sprache. Sottsass hatte die bürgerliche Selbstgerechtigkeit der elitären Kreise stets mit Intelligenz und Ironie herausgefordert, sowohl vor als auch nach Memphis. Mit Memphis glaubte Sottsass, eine industrielle Produktion schaffen zu können, die für jedermann erschwinglich ist - bunt, erschwinglich und zugänglich -, doch sein Traum entpuppte sich sofort als Utopie.

Welche Bedeutung hatte die Stadt Mailand für die Gründung der Bewegung? Hätte Memphis auch in einer anderen Stadt geboren werden können?

Mailand bot alle notwendigen äußeren Bedingungen: den Verleiher, den Produzenten, den Aussteller, den Händler, den Standort des Ateliers von Sottsass (in dem die Designer arbeiteten oder zu dem sie sich hingezogen fühlten), die internationale Presse und den Salone del Mobile. Die Bewegung hätte aber auch anderswo entstehen können: In der Toskana und in Florenz hatten sich in der Vergangenheit andere wichtige Bewegungen und Unternehmen entwickelt, die mit dem Design und Sottsass in Verbindung standen, wie Poltronova oder Superstudio.

Memphis war repräsentativ für die kulturellen Gegebenheiten der 1980er Jahre. Glauben Sie, dass es auch heute noch möglich ist, dass eine Marke die Veränderungen einer bestimmten historischen Epoche verkörpert, so dass ihre Botschaft Teil der Funktion des Objekts wird?

Memphis war die Antwort auf die spezifischen Turbulenzen und Leidenschaften einer vergangenen Epoche. Heute haben sich der geografische Kontext, die Nutzungs- und Produktionsmethoden, die Art, wie wir leben und Designobjekte kaufen, verändert. Das Phänomen Memphis hätte heute nicht mehr entstehen können, auch wenn wir heute eine große Aufmerksamkeit für diese Bewegung und ihr Wiederaufleben erleben.

Memphis geht über die Logik des Designs hinaus und setzt sich so sehr über den traditionellen Kanon hinweg, dass man es mit einer echten künstlerischen Bewegung in Verbindung bringt. Welche Verbindung besteht zwischen Ihren Kreationen und der Welt der Sammler? Wie würden Sie Ihren Sammlertypus beschreiben?

Wie wir schon sagten, wurde Memphis genau gegen diese Art von Logik konzipiert, aber stattdessen waren Sammler und Intellektuelle die ersten, die sich von ihr verführen ließen und Memphis-Stücke kauften. Die berühmten, umfangreichen Memphis-Sammlungen von Karl Lagerfeld und David Bowie, um nur einige zu nennen, sagen viel über die typischen Sammler aus: kultiviert, aufgeschlossen, nonkonformistisch.

Das Ring-Bett ist eines der ikonischsten Stücke der Bewegung, das vor allem auf dem berühmten Foto der gesamten Gruppe zu sehen ist. Welche Bedeutung hat dieses Stück für die Marke und ihre kulturelle Identität?

Das Ring-Bett sowie das Carlton-Bücherregal von Sottsass sind emblematische Stücke der Kollektion: ikonisch, aber im Grunde unbrauchbar. Wie bei allen Memphis-Stücken folgt die Form nicht der Funktion (wie es der Rationalismus und der gesunde Menschenverstand vorgeben), sondern geht ihr voraus, wodurch die Funktion völlig irrelevant wird.

Memphis war und ist eine Brutstätte für talentierte Künstler: Welchen Ansatz verfolgt die Marke heute bei der Entdeckung aufstrebender Designer?

Die kreative Geschichte von Memphis-Mailand - die 1980/81 begann - endete offiziell im Jahr 1988. Seitdem hat es ein ständiges Hinterfragen und Nachdenken über diesen unwiederholbaren Moment gegeben, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen - oft gegensätzlich, manchmal in Kontinuität - zuerst mit Meta Memphis und dann mit Post Design

Im Jahr 2021 feierte Memphis sein 40-jähriges Bestehen: Wie hat sich Ihre künstlerische Sprache im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt, und wie wird sie mit Blick auf die Zukunft mit der Tradition verbunden bleiben?

Wir versuchen, dem treu zu bleiben, was wir für die wichtigste Lehre von Sottsass halten: offen, frei von Vorurteilen und neugierig auf alles zu sein.